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Suchtgefahren im Alter oft unterschätzt
Berlin - Das einsame Trinken zu Hause, die übermäßige Einnahme von Schlaftabletten, das ständige Schlucken von Abführmitteln: Sucht im Alter wird nach Darstellung von Experten häufig unterschätzt, und die Betroffenen erhalten zu wenig Hilfe. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen startete deshalb am Dienstag die Kampagne «Unabhängig im Alter - Suchtprobleme sind lösbar». Auch alte Menschen hätten eine gute Chance, ihre Abhängigkeit zu überwinden, sagte DHS-Experte Raphael Gaßmann.

Nach Schätzung der DHS ist ein erheblicher Teil der rund 21 Millionen Menschen über 60 Jahre von Sucht oder Missbrauch von Alkohol, Tabak oder Medikamenten betroffen. Mehr als zwei Millionen älterer Männer und Frauen rauchten. Bis zu 400.000 seien alkoholabhängig und weitere 3,5 Millionen hätten einen «riskanten Alkoholkonsum». Darüber hinaus nähmen ein bis zwei Millionen Menschen gewohnheitsmäßig Psychopharmaka. Bei der Suchtberatung landet kaum jemand von ihnen: Nur rund 11.000 Menschen über 60 wurden 2004 nach Angaben der DHS in Fachberatungsstellen betreut, in Fachkliniken 1.500.

Während beim Alkoholmissbrauch häufig der Wegfall sozialer Kontrolle im Rentenalter eine Rolle spielt, scheint bei der Medikamentenabhängigkeit auch das Verschreibungsverhalten vieler Ärzte problematisch, wie Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe sagte. Insgesamt gebe es den «verhängnisvollen Trend», im Alter für jedes Zipperlein ein Medikament zu verordnen.

Süchtig aus der Klinik entlassen

In Krankenhäusern bekämen Patienten oft starke Schmerzmittel und Psychopharmaka. Nach der Entlassung würden sie mit der bereits nach wenigen Wochen einsetzenden Abhängigkeit allein gelassen. «Es kann jedem passieren, dass er ins Krankenhaus kommt und abhängig wieder herauskommt», sagte Sowinski. Auch in Pflegeeinrichtungen bekämen viele Bewohner - häufig auf eigenes Insistieren - Schlaf-, Beruhigungs- oder Abführmittel.

Dramatisch seien die Auswirkungen, wenn Missbrauch von Schlaf- oder Beruhigungsmittel und Alkohol zusammenkämen - zumal alle Substanzen im Alter aus physiologischen Gründen stärker wirkten. Hier werde ein Teufelskreis in Gang gesetzt, warnte Sowinski. Denn mit der Benebelung steige auch das Sturzrisiko und die Anfälligkeit für Depressionen und andere psychische Erkrankungen.

Viel zu häufig werde die überholte Ansicht geäußert, bei älteren Menschen komme jede Hilfe zu spät, sagte Gaßmann. Dabei hätten sie eine recht gute Prognose, von ihrer Sucht loszukommen und noch zehn oder 20 Jahre ohne die entsprechenden Gesundheitsfolgen zu leben. Nötig seien besonders geschulte Ärzte, aber auch eine «proaktive», auf die Menschen zugehende Hilfe, sagte Siegfried Weyerer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Pflegekräfte in Einrichtungen sollten bei der Arzneimittelgabe insgesamt kritischer und individueller vorgehen, ergänzte Sowinski.
Quelle Die Neue Epoche

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