Bethesda (ddp). Wenn bei kleinen Kindern Teile des Immunsystems ausfallen, springt ein Notfallprogramm ein und übernimmt deren Schutzfunktionen. Diese unerwartete Entdeckung haben amerikanische Forscher bei der Untersuchung von Patienten gemacht, deren Immunsystem als Folge einer Herztransplantation im Kindesalter keine so genannten T-Zellen mehr bilden konnte. Obwohl ihre Körperabwehr damit der von Aids-Patienten gleicht, entwickelten die Probanden praktisch nie die für Aids typischen Infektionen, beobachteten die Forscher. Ihre Schlussfolgerung: Es muss einen alternativen Infektionsschutzmechanismus geben, auf den der Körper jedoch nur in der frühen Kindheit zugreifen kann. Über ihre Arbeit berichten Brenda Ogle von der Mayo-Klinik in Rochester und ihre Kollegen in der Fachzeitschrift «The Journal of Immunology» (Bd. 176, S. 1962). Die T-Zellen sind neben den B-Zellen die wichtigsten Schlüsselzellen bei der Immunabwehr. Sie sind unter anderem zuständig für das Erkennen von körperfremden Eindringlingen und bekämpfen Viren und Krebszellen. Während der Kindheit wird ein großes Reservoir dieser Zellen im Thymus gebildet, einem Organ, das sich in der Pubertät zurückzubilden beginnt. Zu dieser Zeit hat der Körper normalerweise ausreichend T-Zellen angelegt, um damit ein Leben lang auskommen zu können. Bisher gingen Mediziner davon aus, dass Kinder ohne einen Thymus kein funktionsfähiges Immunsystem aufbauen können. Das stimmt jedoch offenbar nur bedingt, konnten Ogle und ihre Kollegen nun zeigen. Obwohl die 20 untersuchten Probanden tatsächlich teilweise 10 000-mal weniger aktive T-Zellen besaßen als gesunde Kontrollpersonen, wurde ihr Körper erstaunlich gut mit den vielen Erregern in der Umwelt fertig. Besonders interessant war für die Forscher dabei der Vergleich mit Aids-Patienten: Da das HI-Virus ebenfalls die T-Zellen zerstört, ähnelt ihr Immunsystem dem der Transplantationspatienten. Trotzdem entwickelten die untersuchten Probanden selbst Jahre nach der Operation keine der Infektionen, an denen viele Aids-Patienten in den späten Stadien der Krankheit sterben. Irgendetwas ersetzt demnach bei den Kindern die fehlenden T-Zellen, schließen die Wissenschaftler. Wie dieser Notfallmechanismus aussieht, wissen sie allerdings noch nicht. Er zeige jedoch, dass das Immunsystem zumindest in der frühen Kindheit sehr viel flexibler sei als bislang angenommen. Sie wollen nun verstärkt versuchen, das Notfallprogramm zu identifizieren und es nachzuahmen. Damit könnte in Zukunft möglicherweise die Körperabwehr von Patienten mit schweren Immundefekten, wie sie beispielsweise bei einer HIV-Infektion vorliegen, wiederhergestellt werden, so ihre Hoffnung.

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