Taub durch Antibiotika

Die Schwerhörigkeit ist eine häufige Erkrankung. Etwa jeder 15. Mensch in Deutschland ist schwerhörig. Insbesondere die Häufigkeit bei jungen Menschen nimmt zu. Schuld sind sicherlich auch die stetig wachsende Lärmbelastung in Umwelt und Arbeitsplatz.

Ursache für Hörstörungen können u.a. sein: Ohrenschmalz, Fremdkörper, Verletzungen des Trommelfells durch Druck, Stress, zu große Lärmbelastung, Schädelverletzungen oder angeborene Störungen können die Ursache einer Schwerhörigkeit oder Ertaubung sein.

Woran selten als Auslöser gedacht wird sind Medikamente. "Schädigungen des Gehörs sind möglich", dieser Hinweis ist im Beipackzettel zahlreicher Arzneimittel zu finden. Was der Anwender kaum weiß: im Klartext heißt dies, das Mittel kann taub machen. Diese unerwünschte Eigenschaft bezeichnet man auch als "ototoxisch".

Kaum ein Patient liest das Kleingedruckte, bringt seine Schwerhörigkeit mit Arzneimitteln in Zusammenhang. Auch Ärzte denken nicht immer daran, machen Arzneimittel nicht für den Hörschaden verantwortlich. Die Mechanismen, die zur Schädigung des Innenohres führen, sind vielfältig und noch nicht alle bis ins letzte Detail geklärt.

Angriffspunkt sind die Haarzellen der Hörschnecke im Innenohr. Von ihnen gehen Nervenfasern aus, die sich zum Hörnerv vereinigen und ins Gehirn führen. Wirkt ein Medikament ototoxisch, werden die Haarzellen irreversibel geschädigt und sterben ab

Die Ausprägung der Ototoxizität von Arzneimitteln schwankt zwischen kaum bemerkbaren Einschränkungen und kompletter Taubheit. Während einige Schäden reversibel sind, führt die Wirkung anderer Medikamente zur dauerhaften Schädigung des Gehörs und ggf. auch zum Verlust des Gleichgewichtssinns. Ein Hörverlust unter Therapie mit einer ototoxischen Substanz bleibt häufig unerkannt. Daher erscheint es sinnvoll, während oder nach einer Behandlung mit ototoxischen Medikamenten regelmäßige Gehörprüfungen durchführen zu lassen. Im Falle von Einschränkungen muss das Präparat abgesetzt oder darf in Notsituationen nur unter strenger Indikationsstellung weiter verabreicht werden. Taub durch Antibiotika Seit langem ist bekannt, dass bestimmte Antibiotika toxische Nebenwirkungen auf das Hör- und Gleichgewichtsorgan haben können. Sie gehören bis auf wenige Ausnahmen zur Gruppe der Aminoglycosidantibiotika. Sie sind bei schweren Infektionen häufig Antibiotika der ersten Wahl. Die später entwickelten Antibiotika dieser Gruppe sind zwar weniger otoxisch, können aber bei hoher Dosierung ebenfalls innenohrschädigend sein.
  • Streptomycin, Gentamycin, Tobramycin besitzen eine hohe schädigende Wirkung auf den Gleichgewichtsnerv, der Hörnerv wird seltener angegriffen. Häufig macht sich der ototoxische Effekt durch Schwindel und Tinnitus, seltener durch Drehschwindel und Hörverlust bemerkbar.
  • Neomycin besitzt eine sehr starke irreparable innenohrschädigende Wirkung. Häufig werden die Sinneszellen in der Hörschnecke geschädigt und der Gleichgewichtsnerv angegriffen.
  • Netilmycin besitzt eine sehr große schädigende Wirkung auf den Hörnerv, den Gleichgewichtsnerv und die Hörschnecke.
  • Die Antibiotika Chloramphenicol, Tetracyclin, Azithromycin und Erythromycin werden verdächtigt, ototoxische Nebenwirkungen vor allem auf die Sinneszellen der Hörschnecke zu haben. Auftretende ototoxische Nebenwirkungen sollen nach Absetzen des Präparates reparabel sein.
  • Glycopeptid-Antibiotika wie Vancomycin sind sonst nebenwirkungsarm. Sie haben jedoch auch eine hohe ototoxische Nebenwirkung. Vor allem die Hörschnecke mit den Sinneszellen können irreparabel geschädigt werden.
Niere besser, Gehör schlechter Auch Entwässerungsmittel aus der Gruppe der Schleifendiuretika wie Furosemid und Ethacrynsäure können in höheren Dosen vor allem nach rascher intravenöser Gabe gravierende ototoxische Nebenwirkungen mit irreparablem Hörverlust auslösen.

Etacrynsäure kann die Ototoxizität von Aminoglykosiden, Carboplatin, Chloroquin, Cisplatin, Deferoxamin, Erythromycin, Hydroxychloroquin, Schmerzmitteln, Chinin und Vancomycin steigern. Die gemeinsame Gabe beider Diuretika ist absolut kontraindiziert.

Ebenfalls das Gehör schädigen können beispielsweise in der Chemotherapie eingesetzte Platinpräparate (Cisplatin) sowie in der AIDS-Therapie verordnete so genannte Nucleosidanaloga wie Didanosin, Lamivudin, Stavudin, Zalcitabin, Zidovudin. Chinin als Antimalariamittel kann eine Schwerhörigkeit besonders im Hochtonbereich auslösen. Selbst weit verbreitete und vermeintlich harmlose Arzneimittel wie die Acetylsalicylsäure können dem Ohr schaden. Bei längerer Anwendung und/oder in hohen Dosen eingenommen kann der Klassiker zu irreparablen Hörschäden und Tinnitus führen.

Bei Kindern können auch schon kleinere Dosen zu irreparablen Hörschäden führen. Besonders Patienten, die bereits unter Hörstörungen leiden, sollten bei der Verordnung von neuen Arzneimitteln den Beipackzettel aufmerksam lesen und den Arzt oder Apotheker gezielt darauf ansprechen (Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie, Redaktion medizin.de).
Quelle medizin.de

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