Washington (ddp). Das Gehirn von Autisten kennt keine Pausen: Es schaltet in Ruhephasen nicht wie bei gesunden Menschen von einem Input- in einen Verarbeitungsmodus, in dem vorangegangene Eindrücke analysiert, reflektiert und abgespeichert werden, haben amerikanische Forscher entdeckt. Vielmehr verharrt es in einem Zustand, in dem diese Selbstreflexion zugunsten einer starken Konzentration auf äußere Eindrücke unterdrückt ist. Die fehlende Orientierung des Gehirns nach innen könnte einer der Gründe dafür sein, dass Autisten häufig so große Defizite im zwischenmenschlichen Verhalten und der Kommunikation haben, schreiben Daniel Kennedy von der Universität von Kalifornien in San Diego und seine Kollegen in der Fachzeitschrift „PNAS” (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0600674103). Wer sich ausruht und seine Gedanken treiben lässt, blickt unbewusst nach innen. In einem solchen Moment tauchen vor dem geistigen Auge häufig gewohnte Dinge und die Gesichter vertrauter Menschen auf. Verantwortlich dafür ist ein Netzwerk aus Hirnregionen, das in Ruhephasen zu arbeiten beginnt und für die Verarbeitung von Emotionen, die Wahrnehmung und Beurteilung von sozialen Kontakten, die Einordnung der eigenen Person sowie die Vertrautheit mit anderen Menschen zuständig ist. Dieses Netzwerk wird in dem Moment abgeschaltet, in dem sich der Mensch auf eine anspruchsvolle geistige Aufgabe und damit wieder auf die Außenwelt konzentriert. Schon früher gab es Hinweise darauf, dass diese Abfolge von Input und Verarbeitung bei Autisten nicht richtig funktioniert. So sehen Autisten in Ruhephasen beispielsweise völlig andere Dinge vor sich als gesunde Menschen. Auch weist ihr Gehirn häufig Veränderungen auf, die Teile des Netzwerks betreffen. Um diese Unterschiede genauer zu charakterisieren, verglichen Kennedy und seine Kollegen nun die Gehirnaktivitäten von 15 Autismuspatienten mit denen von 14 Freiwilligen ohne diese Entwicklungsstörung, sowohl in Ruhephasen als auch während einiger Konzentrationsübungen. Das Ergebnis: Die typische Ruhephasenaktivität war bei den autistischen Probanden sehr viel schwächer ausgeprägt als bei der Kontrollgruppe. Je größer die sozialen Defizite der Betroffenen dabei waren, desto größer waren auch die Abweichungen ihrer Gehirnaktivität. Möglicherweise konzentrieren sich Autisten auch in Ruhephasen so stark auf ihre häufig zwanghaften Gewohnheiten und Interessen, dass die Aktivität des Ruhenetzwerkes ständig unterdrückt ist, glauben die Forscher. Ob die daraus folgende fehlende Selbstreflexion jedoch die Ursache für die sozialen und emotionalen Defizite ist, können sie noch nicht sagen. Genauso sei es möglich, dass die ungewöhnliche Gehirnaktivität eine Folge des gestörten Sozialverhaltens ist. Welcher Zusammenhang tatsächlich besteht, soll nun in weiteren Studien geklärt werden.

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