Auskultation der Lunge

Bei einer Vielzahl von Notfällen ist das abhören der Lungenfunktion eine unerläßliche Maßnahme um die Atemfunktionen zu beurteilen. Dies trifft besonders für den Bereich der Ertinkungsunfälle zu.

Insbesondere nach dem „Beinahe-Ertrinken” sind wir, insofern der Betroffene dem Augenschein nach noch unversehrt und rechtzeitig geborgen wurde oftmals verunsichert. Es ist wohl noch einmal gutgegangen, und am liebsten würde uns der Betroffene nach verarbeiten des ersten Schreckens davonlaufen.

Die größte Gefahr und Befürchtung unsererseits besteht wohl darin, ob nicht etwa doch geringe Mengen von Wasser in die Lunge eingedrungen ist und später lebensbedrohliche Komplikationen verursacht. Uns ist bekannt, daß aspiriertes Beckenwasser durch die Beimengung von Bakterien und Chlor im Lungengewebe erhebliche Schäden verursachen kann. Nicht umsonst sollen Ertrinkungsunfälle noch 48 Stunden intensivmedizinisch überwacht werden. Einen ersten Hinweis auf in die Lunge eingedrungenes Wasser kann uns die Auskulation der Lunge geben.
Auskultation der Lunge
Auskultation der Lunge

Auskultation der Lunge

Merken Sie sich die Geräuschtypen, und führen Sie auch einen Seitenvergleich durch. Im Normalfall sollten alle Lungenbereiche seitengleich belüftet sein.

Geräuschtypen

Folgende Geräuschtypen deuten auf eine krankhafte Veränderung oder Schädigung der Lunge hin:

Stridor

Unter Stridor versteht man ein „pfeifendes” und „ziehendes” Atemgeräusch. Es entsteht bei verengten Erkrankungen der Luftwege, und ist beim Einatmen lauter zu hören als beim Ausatmen. Gleichzeitig ist ein Einziehen der oberen Weichteile (Sternum/ Schlüsselbein) zu beobachten. Dieses Krankheitsbild entsteht meist bei kehlkopfnahen Verlegungen z.B. dem Kruppsyndrom.

Ist der Stridor beim Ausatmen lauter als beim Einatmen handelt es sich meist um kehlkopf-ferne Verengungen z.B. Asthma bronchiale.

Spastische Atemgeräusche

Sind pfeifende, giemende und brummende Atemgeräusche in Kombination mit einer verlängerten Ausatemphase. Sie sind typisch bei einer gesteigerten Anspannung der Bronchialmuskulatur, einhergehend mit einem Schleimhautödem und eine vermehrte Schleimbildung in den Bronchien. Dieses Krankheitsbild ist beim „Status Asthmaticus” deutlich zu beobachten.

Rasselgeräusche

Rasselgeräusche überlagern die normalen Atemgeräusche deutlich, und weisen fast immer auf eine krankhafte Veränderung der Lunge hin. Wir unterscheiden „trockene” und „feuchte” Rasselgeräusche.

Trockene Rasselgeräusche

Trockene Rasselgeräusche sind meist pfeifend und mit einem tiefen Brummen zu hören. Sie entstehen durch den in Schwingung versetzten zähflüssigen Schleim in der Lunge. Sie kommen häufig bei einer chronischen Bronchitis vor, insbesondere bei Rauchern.

Die Auskultation sollte möglichst beim sitzenden Patienten durchgeführt werden. Ziel hierbei ist es, durch veränderte Lungengeräusche eine Schädigung oder Fehlfunktion der Lunge rechtzeitig fest zu stellen. Hierzu wird die Lunge auf Brust und Rücken abgehört.

Auskultation der Lunge (Brust)

Auskultation der Lunge Brust
Auskultation der Lunge (Brust)

Auskultation der Lunge (Rücken)

Im Normalfall ist das Einatemgeräusch rauschend, und etwas länger zu hören als das Ausatemgeräusch, welches auch etwas leiser ist.
Auskultation der Lunge Rücken
Auskultation der Lunge (Rücken)

Praxistip

Wärmen Sie das Membran des Stethoskopes kurz in den Handflächen auf, um einen Kältereiz auf der Haut zu vermeiden.
Üben Sie diese Maßnahme an sich selbst, oder noch besser an einem Kollegen!

Feuchte Rasselgeräusche

Feuchte Rasselgeräusche entstehen durch Flüssigkeitsansammlung in den Bronchien und Alveolen (z.B. Ertrinken / Beinahe-Ertinken). Insbesondere beim Lungenödem in Verbindung mit Atemnot sind grobblasige Rasselgeräusche deutlich über den Bronchien zu hören. Ein massives Lungenödem ist oftmals schon ohne Stethoskop zu hören.

Achten Sie deshalb beim auskultieren (abhören) der Lunge nach „Beinahe-Ertrinken” insbesondere auf „feuchte Rasselgeräusche” !

Doch Vorsicht ! Nicht immer tritt die Symptomatik sofort auf, und ist deutlich zu erkennen. Bedingt durch eine ev. Elektrolytverschiebung können sich Lungenödeme und Herzrhythmusstörungen noch nach mehreren Stunden entwickeln. Bedenken Sie bitte auch
- wie bereits anfangs erwähnt - das insbesondere Chlor in der Lunge eine toxische Lungenentzündung nach sich ziehen kann.

Diese Patientengruppe muß deshalb mindestens 48 Stunden intensivmedizinisch überwacht werden. Eine Alarmierung des Rettungsdienstes ist somit auch bei fehlenden Rasselgeräuschen zwingend erforderlich!

Quelle: Roland Westphal
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