Heidelberg (ddp). Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion haben ein geringeres Risiko als Deutsche, an Herz-Kreislauf-Problemen, an Prostata- oder Brustkrebs zu sterben. Und nur die jüngeren Männer unter ihnen sind durch tödliche Unfälle, Selbstmorde und Gewaltverbrechen gefährdeter als ihre Mitbürger in Deutschland. Dies sind Ergebnisse einer Studie am Hygiene-Institut des Universitätsklinikums Heidelberg, Sektion Epidemiologie und Biostatistik. Die Untersuchung basiert nach Hochschulangaben auf Daten von 34.393 Aussiedlern im Alter von über 15 Jahren, die zwischen 1990 und 2001 eingewandert waren. Ausgewertet wurden Register von Einwohnermeldeämtern und Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen. Bisher war über die Mortalität der rund 2,5 Millionen Aussiedler, die seit 1990 eingewandert waren, nichts bekannt. Sie kamen aus einem Land mit einer anderen Verteilung der Todesursachen. Erstaunlich sei vor allem die geringe Anzahl an Herz-Kreislauf-Todesfällen, sagt Professor Heiko Becher, Leiter der Sektion Epidemiologie und Biostatistik. In der ehemaligen Sowjetunion seien Herz-Kreislauf-Todesfälle dreimal häufiger als in westlichen Ländern - die weltweit höchste Rate, betont der Experte. Nach anderen Migrantenstudien, zum Beispiel aus den USA oder Australien, war zu erwarten, dass die Mortalität des Ursprungslandes im Einwanderungsland ähnlich auftreten würde. Warum sich die Umsiedlung nach Deutschland für die deutschstämmigen Russen so positiv auswirkt, wollen die Wissenschaftler nun durch Befragungen klären. Diese sollen zeigen, ob sich der Lebensstil der Einwanderer geändert hat. Zu der hohen Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle in Russland tragen wahrscheinlich Ernährung, Alkoholkonsum und Rauchgewohnheiten bei, vermutet Becher. Es gebe keine Anzeichen, dass sich Aussiedler in Deutschland wesentlich anders verhalten als im Ursprungsland. So kommen Lungenkrebs-Todesfälle bei männlichen Aussiedlern deutlich häufiger vor als bei deutschen Männern. Dagegen ist die Rate bei den weiblichen Aussiedlern deutlich niedriger als bei deutschen Frauen. „Die deutschen Frauen rauchen mehr, die Aussiedlerinnen holen aber inzwischen auf”, sagt Becher. Bei Prostatakrebs liegt die Todesrate bei den männlichen Aussiedlern viel niedriger als bei den Deutschen. Dafür haben die Wissenschaftler noch keine Erklärung. Da im Gegensatz zum Lungenkrebs die Risikofaktoren für das Prostatakarzinom weitgehend unbekannt sind, existieren keine klaren Hypothesen. Die Aussiedler-Frauen tragen ein niedrigeres Risiko, an Brustkrebs zu sterben, als die deutschen Frauen. Als relevanten Faktor sieht Becher die höhere Zahl der Geburten bei Aussiedler-Frauen an. Diskutiert werde auch der Einfluss von Hormonersatztherapien. Genetische Faktoren hält er für unwahrscheinlich. Weniger dramatisch als befürchtet ist die Zahl der nicht natürlichen Todesfälle. Vor allem Probleme bei der Integration nahm man als Gründe für eine mögliche höhere Zahl von Suiziden und Unfällen an. Doch erbrachte die Studie nur eine leichte Erhöhung der Zahl dieser Todesfälle bei Männern unter 50 Jahren. Interessant ist eine weitere Beobachtung: Eine Anzahl von Aussiedlern hat seit der Übersiedlung oft den Wohnort gewechselt. Unter diesen ist die Häufigkeit von Suiziden und Unfällen um das Zweieinhalbfache erhöht. Viele Umzüge können ein Indikator für eine nicht erfolgreiche Integration sein. Auf andere Todesursachen hatte die Häufigkeit von Umzügen keinen Einfluss.

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