Leipzig (ddp). In Deutschland erkranken immer häufiger Kinder an Diabetes. Nach Angaben des Ulmer Kinderdiabetologen Reinhard Holl sind bereits 25 000 Kinder und Jugendliche von der unheilbaren Stoffwechselkrankheit betroffen. Wie er am Mittwoch am Rande der 41. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Leipzig sagte, hat sich die Zahl diabeteskranker Kinder in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Ursachen dafür seien nicht bekannt. Die Tendenz ist dem Experten zufolge steigend. „Die Kinder bekommen die Krankheit immer früher im Leben, zwischen zwei und vier Jahren”, berichtete Holl. Bundesweit erkranken den Angaben zufolge täglich drei bis vier Kinder unter 15 Jahren an der Autoimmunkrankheit, bei der es zu einer Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen kommt. „Mit dieser Diagnose ist von einem Tag auf den anderen die Kindheit vorbei”, sagte die Vorsitzende der Friedrichshafener Stiftung Dianino, Ingrid Pfaff, die selbst einen diabeteskranken Sohn hat. Die betroffenen Kinder bräuchten jeden Tag mehrere lebensnotwendige Insulin-Injektionen, gegen die sie sich häufig wehrten. Zuvor müsse noch aus dem Finger ein Blutstropfen entnommen werden, um den Blutzuckerwert zu bestimmen. Hinzu komme eine komplette Umstellung der Ernährung und die häufig mit der Krankheit verbundenen psychischen Probleme. „Die Kinder werden unter Gleichaltrigen schnell zu Außenseitern und verschweigen ihre Krankheit”, berichtete Pfaff. Die Diagnose ist nach Erfahrung der Experten häufig eine große Belastung für die Familien der betroffenen kleinen Patienten. „Wenn dann noch andere Probleme, wie Arbeitslosigkeit der Eltern, hinzukommen, ist das Maß voll”, sagte der Stuttgarter Kinderpsychologe Béla Bartus. Deshalb habe die Stiftung Dianino im vergangenen Jahr das Projekt „Diabetes-Nanni” ins Leben gerufen, erklärte Pfaff. Die Diabetes-Expertinnen, die derzeit aus finanziellen Gründen nur in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen tätig sind, helfen den betroffenen Familien vor allem in der Anfangszeit bei der Bewältigung des schwerer gewordenen Alltags. Aber auch zunehmendes Alter und ungesunde Lebensumstände führen möglicherweise zu einem dramatischen Anstieg der Diabeteserkrankungen in der Bundesrepublik. „Vierzig Prozent der Bevölkerung in Deutschland läuft Gefahr, an Diabetes zu erkranken”, sagte der Präsident der Deutschen Diabetiker Union (DDU), Eberhard Standl, am Mittwoch im ZDF- „Morgenmagazin”. Laut dem „Deutschen Gesundheitsbericht - Diabetes 2006” der DDU leiden derzeit vermutlich zehn Prozent oder acht Millionen Deutsche an Diabetes. Zu den Gründen für diese düstere Prognose sagte Standl: «Die Gesamtbevölkerung ist deutlich älter geworden, das erhöht das Risiko.» Zudem würden immer mehr Menschen an Übergewicht leiden und sich zu wenig bewegen. Die heutigen Behandlungsmöglichkeiten für Diabetes seien jedoch „sehr gut”. Im vergangenen Jahrzehnt seien große Fortschritte wie etwa Insulin zum Inhalieren gemacht worden.

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